Herbert X. Maier
Ausstellung „Intervention“ am Münsterplatz, 17. Juli bis 24. August 2024
Alte, desolate Räume, nach Sanierung oder Abriss schreiend, bilden den Ort, dem sich die Gemälde von Herbert X. Maier entgegenwerfen. Wobei keine Dissonanz, keine wirkliche Kontradiktion entsteht, sondern ein gemeinsames Schwingen in den Räumen. Was zunächst widersprüchlich klingt, erklärt sich zum einen aus der wiederkehrenden Thematik der Bilder, Fenster und Treppen, – sowie die weiter hinten im Gebäude zu entdeckenden neuen, runden, bunten Werke, entsprungen aus dem Interesse des Künstlers am Thema Gravitation – die sich mit dem alten Gemäuer, den trüben Sprossenfenstern und den Holztreppen vereinen.
Fenster ohne Perspektive
Wobei die Fensterbilder ihren Ursprung nur erahnen lassen. Jeglicher Perspektive beraubt und reduziert auf eine zusammengeschobene Fläche und dem Empfinden von Licht und Struktur, wird das Motiv mehr gespürt als objektiv wahrgenommen. Nach einem Besuch der Ausstellung an einem heißen August-Nachmittag, trägt man das Spiel des durch einen Spalt hereinbrechenden Lichts, mit den blauen Schatten eines Raumes, meinetwegen ein Tempel in Kambodscha, tief in sich, hat es mehr empfunden als gesehen. Durch das Komprimieren mittels Farbschichten auf eine Flächigkeit, verliert sich der Blick des Betrachtenden nicht in der Ferne, sondern dringt in die Tiefe des Bildes ein.
Licht bricht sich durchs Dunkel
Eines der mehrteiligen, großformatigen Fensterbilder versteckt sich schon beinahe zu geschickt unter einer vergitterten, realen Fensterfront, so dass man erst auf den zweiten Blick das Kunstwerk erkennt, die nächtliche Hochhausfront eines New Yorker Gebäudes, wo hinter den kleinen Fenstern das eine oder andere Lichter aufblitzt. An einer anderen Stelle sind die Fenster des letzten Nachkriegsgebäudes am Münsterplatz, einem unscheinbaren, wie vergessen da stehenden Flachbau, zugemauert und blind. In Herbert Maiers Ölgemälde darunter bricht sich dagegen das Licht seinen Weg durchs Dunkel und strömt förmlich in den Raum.
An den Wänden blättert die trübe Tapete, dort, wo sie sich noch hält, treibt sie ein Doppelspiel mit dem Gemälde, welches das strichhafte, leichte Muster aufzugreifen und fortzuführen scheint. Ein Beispiel, mit welch gutem Auge Herbert Maier seine Bilder platziert hat, denn sein Gemälde dort ist bereits vor vielen Jahren entstanden.
In vielen Schichten entstehen die Ölgemälde
Das farbenfrohe Schichtsystem, das Herbert Maier anwendet, wo in zeitaufwändigem Verfahren immer wieder weitere Öllasuren übereinander aufgetragen werden, beschert diese Tiefe, ohne dabei auf räumliche Strukturen zurückgreifen zu müssen. Das betrachtende Auge wird förmlich eingesaugt in die Werke, die darunter liegenden Farbschichten entfalten eine Wirkung, die mehr gespürt denn bewusst gesehen wird. Ganz besonders fällt dies auch bei einem kleinen roten Bild sowie bei einem großformatigen schwarzen Ölgemälde auf. Während das rote Werk rein aus Farbe besteht und gleichzeitig so viel mehr als nur rot ist, schwimmen auf dem großen Gemälde zwei seeigelartige Gebilde in ockergelb, ansonsten ist das Werk komplett schwarz. Die alte Kunst der flämischen Maler lebt hier wieder auf. Herbert Maier hat mittels geduldigem, wiederholtem Auftragen von farbigen Lasuren ein samtiges Schwarz hervorgebracht, das wirkt, als habe es eine haptische Struktur – und doch gemalt ist, ohne dass die eigentliche Farbe schwarz verwendet wurde.
Herbert X. Maier gelingt es bei dieser kurzfristig und kurzzeitig angelegten Ausstellung einen Lichtstrahl durch das alte Gebäude zu schicken. Ein Haus, das vielen Freiburgerinnen und Freiburgern aus früheren Zeiten als Kaffee- und Süßigkeitengeschäft bekannt ist, dann lange leer stand und nun entsprechend der Denkmalschutzauflagen saniert werden soll. Durch die Ausstellung entsteht ein Licht und eine Farbigkeit, die sich tief einnistet und mit hinausgetragen wird, ins trubelige Leben draußen auf den Straßen an heißen Augusttagen.
Barbara Breitsprecher, August 2024