„Dreck in der Atmosphäre, Dreck in der Lunge, Dreck im Hirn“

„Dreck in der Atmosphäre, Dreck in der Lunge, Dreck im Hirn“

Eckart von Hirschhausen kommt mit seinem aktuellen Programm „Endlich! – Das Life!-Programm“ am 26. April nach Freiburg ins Konzerthaus. Der „Doktor der Nation“ bietet bei seinem Auftritt viele Aha-Erlebnisse, erstaunliche Fakten, eine Prise Zauberei und Musik mit Christoph Reuter am Klavier. Wie immer witzig und hintersinnig zugleich. Nach dem Motto: Wenn das Leben endlich ist, wann fangen wir endlich an zu leben? Ein Gespräch mit dem Mediziner und Bühnenstar über die Themen unserer Zeit.

Vor kurzem wurde ein Bericht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt, in dem ein Landwirt zu sehen war, der die Trockenheit beklagte und ebenso, dass er Teile seiner Ackerflächen brachliegen lassen müsse, wo es nun doch Weizenknappheit aufgrund des Ukraine-Krieges geben werde… Ist es einfach zutiefst menschlich, kurzfristig zu denken? Und wenn ja, wie kann sich dann etwas ändern?

Eckart von Hirschhausen: Wir denken gerne schlau und handeln blöd. Das heißt in der Psychologie „kognitive Dissonanz“. Wir sind evolutionär nicht darauf getrimmt, globale Zusammenhänge zu sehen, zum Beispiel den zwischen der Trockenheit, die Ernten gefährdet und Jahrzehnten im Hyperkonsum von Energie und Ressourcen. Der beste Weg, Hunger durch Weizenknappheit zu bekämpfen, wäre übrigens nicht, an den kleinen ökologischen Fortschritten zurückzuschrauben, sondern ein großes europäisches Grillfest zu machen. Auf Elektrogrills mit Ökostrom selbstverständlich. Und am nächsten Tag gäbe es viel weniger Rinder und mehr Weizen für alle. Denn absurderweise landen 60% des Getreides in Tieren. Also Grillen für den Frieden!
Ich bin immer noch Optimist, und glaube, dass Menschen sich verändern, wenn sich Rahmenbedingungen ändern. Deshalb engagiere ich mich mit meiner Stiftung „Gesunde Erde -Gesunde Menschen“ für die großen politischen Hebel – und bringe in Freiburg einen Abend lang die Menschen zum Lachen über unser aller inneren Widersprüche.

Gibt es in unserem Kopf, in unserem Leben immer nur Platz für eine Krise? Nachdem wir mit der Corona-Pandemie zu tun hatten, geriet der Klimaschutz in den Hintergrund, mit dem Ukraine-Krieg ist Corona plötzlich nicht mehr so ein wichtiges Thema. Und inwieweit hängt vielleicht alles mit allem zusammen?

Eckart von Hirschhausen: Auf meinem Buch «Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben» gibt es einen Button: «Drei Krisen zum Preis von zwei!» Was wie ein Sonderangebot klingt, ist die Tatsache, dass die großen Krisen unserer Zeit sehr eng miteinander verwoben sind: Klima, Pandemie, Artensterben, aber auch fossile Energie, Krieg und Hunger. Krise ist das neue Normal. Die Welt ist unsicherer geworden, aber das Bedürfnis nach Orientierung, nach positiven Gemeinschaftserlebnissen und einem Denken über Ländergrenzen hinweg hat zugenommen. Gesundheit ist ansteckend und global, ein Virus fragt nicht nach einem Visum, um Ländergrenzen zu überspringen. So wenig wie ein C02 Molekül in der Atmosphäre fragt, aus welchem Land es kam. Die Pandemie ist die Folge der Zerstörung der natürlichen Lebensräume der Wildtiere. 8 Millionen Menschen jedes Jahr sterben an Luftverschmutzung, und eine Lunge, die Dreck einatmen muss, ist auch viel anfälliger für Corona. Klimaschutz und Tierschutz ist auch Gesundheitsschutz, wenn wir das aus den letzten beiden Jahren gelernt haben, war es wenigstens zu etwas gut.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die Golfstaaten zu einer stärkeren Ölförderung aufgerufen, die deutsche Bundesregierung hat mit Katar über Gaslieferungen verhandelt. Selbst wenn es solche Übergangslösungen als Möglichkeit gäbe, wären sie akzeptabel? Wird hier nicht eine Autokratie durch eine andere als Partner ersetzt und die Natur bleibt mal wieder auf der Strecke?

Eckart von Hirschhausen: Momentan finanzieren wir jeden Tag diesen Krieg durch die Energieimporte. Das ist unerträglich und ich hoffe, dass wir da schnell umlenken. Weniger als 100% erneuerbare in Deutschland ist eine Beleidigung der Intelligenz unsere Ingenieure, hat Herman Scher, der große Vordenker der Energiewende vor Jahrzehnten schon gesagt. Und ich würde ergänzen: Auch eine Beleidigung von allen Menschen, die gerne atmen. Weltweit ist Luftverschmutzung der Killer Nummer Eins, auch ein Nebenaspekt von fossiler Energie. Dreck in der Atmosphäre, Dreck in der Lunge, Dreck im Hirn. Wir setzen durch die Kohleverstromung in Deutschland mehr als fünf Tonnen Quecksilber jedes Jahr in die Luft, und darüber redet keiner, obwohl Quecksilber für das Hirn toxisch ist. Erneuerbare Energien sind so viel gesünder für Mensch und Planet!

Weitere Überlegungen sind ja, den Ausstieg aus fossilen Energien zu verlängern, ebenso die Laufzeiten der Atomkraftwerke? Wie stehen Sie zu diesen Vorschlägen?

Eckart von Hirschhausen: Atomstrom wollen ja noch nicht mal mehr die Betreiberfirmen. Die Debatte ist für Deutschland Gott sei Dank durch, hat ja auch lange genug gedauert. Wir müssen weiter an dem Ausstieg aus der dreckigen und idiotischen Kohleverstromung festhalten. Eine unterschätzte Emissionsschleuder ist die Landwirtschaft. Agrarsubventionen gehen immer noch mit Milliarden in zerstörerische Monokultur und Massentierhaltung. Wir tun in der Politik nicht nur nicht das Richtige – wir machen weiter mit absolutem Unsinn, weil einige Lobbygruppen nicht verstanden haben, dass auch sie Kinder haben, die uns alle fragen werden: Was war euch 2022 wichtiger, als eine bewohnbare Erde und unsere Zukunft? Gestiegene Spritpreis oder gestiegene Meeresspiegel?

Sie machen sich seit Jahren unermüdlich für den Klimaschutz stark, wie fühlt es sich an, wenn Sie sehen, wieviel Geld angesichts des Ukraine-Kriegs innerhalb kürzester Zeit bereit gestellt wird für militärische Aufrüstung – Geld, das so niemals zusammen gekommen ist für den Klima- und Gesundheitsschutz?

Eckart von Hirschhausen: Absurd. Wir sind schon lange im Krieg gegen unsere Lebensgrundlagen. Ich war ja für meine Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ in Glasgow auf der Weltklimakonferenz und sprach mit den Verhandlern, die das Geld nicht zusammenbekommen, was die reichen Staaten für den Ausgleich der Schäden im globalen Süden bereits versprochen haben. Was gerade im letzten IPCC-Bericht steht: es wird immer teurer und bald unbezahlbar, wenn wir weiter planetare Grenzen überschreiten. Das Teuerste, was wir jetzt tun können ist nichts!

Immer wieder plädieren Sie sich auch für ein Umdenken bei der Ernährung und weisen Sie auf den positiven Effekt hin, wenn weniger Fleisch gegessen wird – sowohl fürs Klima wie auch für die unmittelbare Gesundheit des Menschen. Einer Ihrer eindrücklichsten Vorschläge war, dass jeder der ein Kilo Fleisch kauft auch einen 20-Liter-Eimer Gülle mitnehmen muss. Gibt es in Ihrem Live-Programm in Freiburg weitere solche originellen Ideen oder was wird Ihr Tenor sein?

Eckart von Hirschhausen: Ja, bei aller Ernsthaftigkeit der Themen, gibt es viel zu lachen, zu staunen, zum Weitererzählen. Das Schöne an meinem Liveprogramm: Jeder Abend ist ein Unikat. Ich gehe viel auf aktuelle Dinge ein, improvisiere mit den Zuschauern, sonst würde ich mich ja selbst langweilen! (lacht) Und weil sich mein Programm ja mit der Endlichkeit beschäftigt, verschreibe ich keine Pillen, sondern verrate einen einen extrem einfachen Trick, sein Leben um 10 Jahre zu verlängern. Wen das interessiert, Sie sind herzlich eingeladen am 26.04. in mein Programm zu kommen! Versprochen: alle Zuschauer gehen gesünder nach Hause als sie gekommen sind. Denn Lachen ist die beste Medizin! Und wer zuletzt lacht, lacht am besten. Es ist tatsächlich mein letzter Auftritt in Freiburg, denn ich mache nach 30 Jahren eine längere Tourpause. Also letzte Chance, es gibt noch Karten!

Sie sind auch Mitglied des legendären Club of Rome. Vor 50 Jahren, im März 1972, veröffentlichten die Wissenschaftler dieser internationalen Experten-Organisation ihren Bericht „Grenzen des Wachstums“, in dem sie einen erschreckenden Ausblick auf die Erde, das Klima, die Natur und die Menschen im Jahr 2050 aufzeigen. Wie desillusionierend ist es für Sie zu sehen, dass seitdem die Emissionen bis heute munter weiter steigen, dass viel geredet wird, aber wenig konkret passiert?

Eckart von Hirschhausen: Wir haben zu lange geglaubt, dass die Klimaveränderungen Eisbären, Meeresspiegel und ferne Länder betreffen, aber nicht uns in Europa. Dabei erleben wir ja gerade die letzten drei Jahre enorme Hitzewellen mit vielen Hitzetoten, eine Dürre, wie es sie nachweislich seit über 2000 Jahren nicht gab, auch die Bäume sterben und das alles mitten in Deutschland. Spätestens mit dem Extremwetter im Ahrtal ist jedem klar, wir sind miserabel vorbereitet auf diese Veränderungen. Wie viele „Jahrhundertereignisse“ brauchen wir denn noch, um zu verstehen, dass dieses Jahrhundert anders ist – und gerade erst angefangen hat. Die Idee eines ständigen Wachstums ist in einer vollen Welt für alle tödlich. Da habe ich viel von einem wichtigen Freiburger Vordenker lernen dürfen, Ernst Ulrich v. Weizsäcker. Wir sind die einzige Art auf der Erde, die längerfristig in die Zukunft denken kann, aber wir tun es nur sehr begrenzt. Das Thema hat auch eine bislang wenig beachtete seelische Dimension. Ich glaube, wir verbrauchen so viel, weil wir nicht wissen, was wir wirklich brauchen. Und die kostbarsten Dinge sind keine, die der „Markt“ regelt:  Kein Mensch kann sich seine eigene Außentemperatur kaufen. Noch nicht mal Privatpatienten.

Sie sagen, die Wissenschaft muss klare Aussagen liefern und die Politik muss auf die Wissenschaft hören. Beides ist in der Coronakrise nicht optimal gelaufen und schon gar nicht in der Klimakrise. Was muss passieren, damit die Dringlichkeit auch in der Politik ankommt?

Eckart von Hirschhausen: Mein Freund Harald Lesch, der tolle Filme und Vorträge zu dem Thema macht und sich nicht scheut, auch die AfD Positionen wissenschaftlich zu prüfen und in die Tonne zu treten, sagt: „Naturgesetze sind nicht verhandelbar!“ Das ist der Punkt. Ich kann nur jeden Politiker ermutigen, mutiger zu sein und auf die Wissenschaft zu hören. Menschen gewöhnen sich sehr schnell an neue Spielregeln für alle. Als das Rauchen in Kneipen verboten wurde, gab es wahnsinnigen Protest – nach ein paar Wochen war aber klar: das ist eine gute Sache. Wir haben das erste Waldsterben verhindert, nicht indem wir an jeden Einzelnen appelliert haben, sondern durch visionäre Ordnungspolitik. Die braucht es auch jetzt. Wir können noch so viel Kraft auf die Vermeidung von Plastiktüten legen, wenn die Flüge weiterhin in Deutschland billiger sind als Bahnfahrten und Straßen wichtiger sind als Radwege, bekommen wir keine relevante Verhaltensänderung. Wenn wir unsere krankmachenden Konsummuster unterbrechen, geht es nicht um Mangel oder Verzicht, sondern um das einzig sinnvolle und langfristige, um einen Zugewinn an Lebensqualität. Die Idee einer „Planetary Health Diet“ verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten gut tut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Nüsse, Hülsenfrüchte und buntes Gemüse. Wir müssen viel mehr betonen, welche Vorteile wir selber haben, wenn wir für den Klimaschutz handeln.

Deutschland rangiert weltweit auf dem dritten Platz, was die Zahl der Hitzetoten angeht. Der Januar 2022 war 3,3 Grad zu warm, der Februar 2022 endete mit einem Temperaturplus von 4,1 Grad, der März ist auch schon wieder deutlich zu warm, Stand 24.03 lag er knapp 1,2 Grad über dem Durchschnitt von 1961-1990. Was muss direkt bei uns konkret und schnell angegangen werden –im Bauwesen, Umweltschutz, Landwirtschaft etc.?

Eckart von Hirschhausen: Dazu gibt es viele tolle Gutachten, vom Wuppertal-Institut bis German Zero. Die Gesetzesvorschläge liegen alle auf dem Tisch. Ein großer Hebel ist der Bausektor. Als Arzt verstehe ich nicht, warum wir Krankenhäuser, Kitas und Altenheime, also lauter Orte für vulnerable Menschen, immer noch mit Stahlbeton zu Hitzefallen werden lassen, statt mit Holz und nachhaltigen Kühlmöglichkeiten ein zukunftstaugliches und hitzeresilientes Gesundheitswesen als allererstes aufbauen. Ich habe in meinem Bühnenprogramm „Endlich!“ einen witzigen und zugleich ernsten Teil über die ganzen Widersprüche, in denen wir alle stecken. Ich kann nicht „eigenverantwortlich“ dafür sorgen, dass endlich Bahnfahren in Deutschland so gut funktioniert wie in Frankreich, Japan oder der Schweiz, dass der öffentliche Nahverkehr fluppt und am besten umsonst ist, dass es ein Tempolimit und einen wirksamen Co2 Preis. Dafür braucht es politische Mehrheiten und keine Ökomoral, sondern wissenschaftsbasierte wirksame Gesetze. Und Orte, an denen Visionen heute schon erlebbar sind – und da ist Freiburg schon weit vorne, sozusagen das badische Kopenhagen.

Laut einer Studie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins »Nature«, wird unser verbleibendes Kohlenstoffbudget für die Begrenzung der planetaren Erwärmung auf 1,5 Grad in neuneinhalb Jahren aufgebraucht sein. Allein 2021 haben wir weltweit rund neun Prozent dieses Restbudgets dessen verbraucht, was noch maximal in die Atmosphäre gehen darf, bis die kritische Temperaturschwelle umkippt. Was wird der Moment of no return bedeuten – für unsere Welt, unsere Gesundheit?

Eckart von Hirschhausen: Frans Timmermans, der Kommissar für Klimaschutz in der EU-Kommission, sagt: Wir haben als Menschen oft nur aus den Vollkatastrophen gelernt. Aus der Katastrophe der Klimakrise werden wir nicht mehr lernen können, weil sie nicht umkehrbar ist. Die Frage ist also: Können wir jetzt eine Aufbruchsstimmung schaffen wie nach dem zweiten Weltkrieg und Dinge tun, von denen wir selber nicht unbedingt profitieren, die aber das Überleben, den Wohlstand und die Freiheit der nächsten Generation sichern, so wie es das Bundesverfassungsgericht auch vorschreibt. Deshalb müssen wir uns viel mehr darüber unterhalten, wie ein gutes Leben aussehen kann, bei dem wir nicht wie blöde Ressourcen verballern. So gesehen hoffe ich, dass diese Krise uns die Augen geöffnet hat: Es lohnt sich, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen, um jede Tonne CO2, die wir verhindern, als Grundlage für eine friedlichere und gesündere Welt.  Das Thema ist im öffentlichen Bewusstsein angekommen, Jugendliche gehen mit „Fridays For Future“ auf die Straße, Eltern und Großeltern unterstützen sie und auch die Politik kommt an dem Thema nicht mehr vorbei. Wenn ich mir jetzt noch etwas wünschen dürfte – dass die ganze Diskussion mit ein bisschen Humor geführt wird, damit das Ganze nicht so verbiestert rüberkommt. Ich liebe die Plakate mit Augenzwinkern: „Kurzstreckenflüge nur für Insekten“, „Wozu Bildung, wenn keiner auf die Wissenschaft hört?“ oder „Klima ist wie Bier – zu warm ist Scheiße!“ Elon Musk hat einen Preis von 100 Millionen Dollar ausgelobt für jemanden, der was erfindet, was CO2 bindet. Da hat jemand getwittert: Dürfen sich auch Bäume bewerben? Das ist mein Humor.

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